Von: "Grünes Dialogteam" <dialog@gruene.de>
An: Klaus Hesse
Gesendet: Montag, 7. Juni 2021 14:30:25
Betreff: Re: Fwd: Erhalte ich hierauf noch eine Antwort?
Sehr geehrter Herr Hesse,
vielen Dank für Ihre Mail.
Sie wissen sicherlich, dass wir Grüne uns seit Jahrzehnten für den
Ausstieg aus fossilen Energien einsetzen. Die Energiewende ist das
größte Projekt zur ökologischen Umgestaltung der Industriegesellschaft.
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung sind die
Schlüssel dafür. Im Jahr 2020 erreichten die erneuerbaren Energien in
Deutschland mit einen Anteil an der Nettostromerzeugung von 50,5% einen
neuen Rekordwert und lagen damit erneut klar vor der Kohlekraft (24,1%)
und der Kernenergie (12,5%).
Zum Vergleich: Im Jahr 2003, ganz zu Beginn der Energiewende, lag der
Anteil der Erneuerbaren an der Nettostromerzeugung bei lediglich 8,6%.
Das ist ein Erfolg des von uns während der rot-grünen Regierungszeit
(1998-2005) initiierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Zudem wurde
2020 in Deutschland bei der Stromerzeugung ein Exportüberschuss von ca.
17.400 Gigawattstunden erzielt. Der Hauptteil der deutschen
Strom-Exporte floss dabei in europäische Nachbarländer wie Österreich.
Jedes neue Auto, das nicht fossil betrieben wird, sondern emissionsfrei
fährt, hilft beim Klimaschutz. Deswegen haben wir ganz technologieoffen
beschlossen, dass ab 2030 nur noch "abgasfreie Autos" neu zugelassen
werden dürfen. Auch in "Power to gas" – der dezentralen Gewinnung von
Wasserstoff oder Methan aus regenerativem Strom – sehen wir für Autos
mit sparsamem Antrieb eine ergänzende Option. Und auch bei "Power to
gas" sollte sich die Höhe der Besteuerung an den Klimaauswirkungen
orientieren.
Trotzdem erkennen wir, dass die Autohersteller vor allem
batterieelektrische Modelle auf den Markt bringen und weniger auf
Wasserstoffantriebe und andere alternative Antriebe setzen, da die
E-Mobilität deutlich ausgereifter ist. Außerdem gilt: Genauso wie die
Fahrzeughersteller die parallele Entwicklung mehrerer
Antriebstechnologien aus Kostengründen meiden, ist auch der staatlich
bezuschusste Aufbau verschiedener Tank- und Ladeinfrastrukturen
ineffizient, teuer und logistisch kaum zu stemmen. An der Infrastruktur
hängt aber die Frage, ob es überhaupt eine attraktive Alternative zum
Verbrennungsmotor gibt. Deshalb braucht es für den PKW Bereich heute
einen klaren Fokus auf die Elektromobilität. Wer dauerhaft auf
Technologieoffenheit setzt, verhindert, dass es überhaupt eine
Alternative gibt.
Dieser Fokus auf E-Autos ist auch sinnvoll, weil der Strom hier direkt
bzw. ohne Umwandlungsverluste und somit besonders effizient genutzt
wird. Wenn der Strom jedoch in Wasserstoff umgewandelt wird, geht viel
Energie verloren. Im Vergleich zur E-Mobilität braucht man für
Wasserstoffantriebe zwei- bis dreimal so viel Stromeinsatz.
Noch schlechter ist die Energiebilanz, wenn der Wasserstoff zu E-Fuels
weiterverarbeitet wird. Für das Fahren mit E-Fuels braucht man rund
fünfmal so viel Strom wie bei der direkten Stromnutzung in E-Autos. Der
Thinktank Agora Verkehrswende weist darauf hin, dass der Strombedarf
allein des Verkehrs in Deutschland im Jahr 2050 bei bis zu 914 TWh
liegen könnte, wenn der Verkehrssektor vorrangig mit strombasierten
Kraftstoffen dekarbonisiert würde, und damit größer wäre als die gesamte
Bruttostromerzeugung in Deutschland im Jahr 2016. Neben dem
Energieverlust sind auch die Kosten problematisch, denn diese betragen
für einen Liter E-Fuel derzeit bis zu 4,50 Euro. Außerdem wird es bis
zum Jahr 2030 keine signifikante Produktion von E-Fuels geben, sodass
sie sich nicht als verlässliches Klimaschutzinstrument eignen. Wer sich
gegen die E-Mobilität und für E-Fuels im Autoverkehr einsetzt, ist also
vor allem an der Rettung des Verbrennungsmotors interessiert und weniger
an bezahlbarer und klimafreundlicher Mobilität.
Abseits des Pkw-Bereichs ist der technologische Pfad noch offen.
Wasserstoff, Erdgas und v.a. die wertvollen E-Fuels müssen wir also für
die Bereiche vorhalten, wo es noch keine massentauglichen elektrischen
Antriebe gibt, aber die Emissionen trotzdem gesenkt werden müssen. Das
betrifft den Schiffs- und Flugverkehr sowie teilweise den schweren
Straßengüterverkehr.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Herzliche Grüße
Anna Tretter
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